Wegsackender Anbau
Vor einigen Jahren habe ich einer Frau aus der Provinz Limburg mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Der Anbau ihrer Wohnung fing an wegzusacken und sich von der Wohnung abzulösen. Dieser war vor gut 25 Jahren von den vorigen Bewohnern an dem noch älteren Haus errichtet worden. Darin war unter anderem die Toilette untergebracht. Meine Mandantin meldet dies bei der Versicherung und verlangt eine Entschädigung.
Nachdem einige Experten der Versicherungsgesellschaft die Wohnung untersucht haben, stellen sie fest, dass ein Konstruktionsfehler vorliegt, infolgedessen der Anbau allmählich wegsackt. Daraufhin hat dieses Wegsacken unterirdische Wasserleitungen zu Schaden kommen lassen, die geplatzt sind, und somit konnte der Anbau nur noch weiter wegsacken. Keine Deckung seitens der Versicherung also. Bei Konstruktionsfehlern gilt es, die Verkäufer der Wohnung zur Rechenschaft zu ziehen. Konstruktionsfehler verjähren jedoch nach 20,5 Jahren. Die Mandantin sah sich somit mit einem Schaden von einigen Tausenden konfrontiert.
Sobald ich die Sache in Angriff genommen habe, entschied ich mich dazu, zuerst einen Paragraphen in den Policenbedingungen zu nutzen, der es Versicherten ermöglicht, auf Kosten des Versicherungsunternehmens eine “Zweitmeinung” einzuholen und die Ursache für das Wegsacken des Anbaus aufzuspüren. Der von uns eingeschaltete Experte kommt zu dem Schluss, dass kein Konstruktionsfehler vorliegt, aber dass bereits zuvor von einer Leckage die Rede ist. Daher hat sich der Boden erweicht und konnte der Anbau wegsacken.
Eine Studie der örtlichen Geschichte lehrt, dass sich im Boden Altrohre befinden, angesichts derer nun bekannt ist, dass diese eine Lebensdauer von maximal 20 Jahren haben. Und diese maximale Lebensdauer von 20 Jahren war vor einigen Jahren schon erreicht. Es wäre somit durchaus möglich, dass diese Rohre durch Verschleiß geplatzt sind, infolgedessen das Wasser in den Boden eingesickert und der Anbau gesackt ist. Und ein Schaden wegen einer Leckage fällt wohl unter die Deckungsgründe der Versicherung.
Die erneute Lektüre der Policenbedingungen lehrt, dass bei zwei widersprüchlichen Sachverständigengutachten auf Rechnung der ins Unrecht gesetzten Partei ein dritter Experte hinzugezogen werden kann, der ein verbindliches Gutachten abgeben kann. Dieser Experte wurde eingeschaltet, beide anderen Experten berichten und der Dritte recherchiert. Gut anderthalb Jahren nach Entstehen des Schadens kommt das erlösende Wort: Es gibt keine Anzeichen für einen Konstruktionsfehler. Die logischste Erklärung für das Wegsacken ist die Leckage durch Verschleiß der unterirdischen Rohre.
Der Schaden der Mandantin ist somit durchaus gedeckt und sie kann erleichtert aufatmen. Der Versicherer wird sämtlichen Wohnungsschaden vergüten. Nach einer langwierigen Diskussion über die Schadenshöhe kann die Mandantin drei Jahre nach Anfang dieser Sache wieder unten auf die Toilette.
Dieser Fall lehrt uns, dass es auf jeden Fall von größter Wichtigkeit ist, die (weitschweifenden und schwer lesbaren) Policenbedingungen der Versicherung gut zu lesen. Dies macht zuweilen einen großen Unterschied angesichts der Kosten. Und weiterhin ist ein langer Atem, sicherlich wenn Versicherer im Spiel sind, häufig auch ein notwendiges Übel. Aber derjenige, der am längsten durchhält, gewinnt.